WAS HAT ANGELIKI ANTONIOU DAZU BEWEGT, DIESEN FILM ZU MACHEN ?

"Im Januar 2002 las ich in einer Athener Zeitung:

‘Junger albanischer Mörder geht über die griechische Grenze und stellt sich der griechischen Polizei.’

Ich fragte mich: was veranlasst einen jungen Mann sich freiwillig in Griechenland der Justiz zu stellen, noch dazu ein Albaner?
Von dem Zeitpunkt an, ließ mir der Fall Eduard keine Ruhe mehr. Ich begann Gespräche und Diskussionen mit Freunden und Bekannten. Sie fingen an und endeten immer mit derselben Schlussfolgerung: ‘Entweder ist der Mann ein Psychopath oder er will Drogen ins Gefängnis schmuggeln.’

Ich fand aber keine Ruhe. Beide Möglichkeiten befriedigten mich nicht. Ich konnte aber auch sie nicht ausschließen.

Ich fragte Kriminalisten und Staatsanwälte was hinter diesem Fall stecken könnte. Man war der einhelliger Meinung, dass so etwas in der Geschichte der Kriminalität einmalig sei, vielleicht alle fünfzig oder hundert Jahre, stellt sich jemand freiwillig ohne gesucht zu werden. Ich habe versucht Eduard zu finden. Er saß im Athener Untersuchungsgefängnis Koridallos. Vier Monate hat es gedauert, bis ich eine Besuchserlaubnis vom Justizministerium bekam.

Ich zitterte, als ich ihm das erste Mal gegenübertrat und in sein Gesicht blickte. Ich hatte Angst einem Mörder gegenüber zu treten. Sein Äußeres verwirrte mich. Sein Gesicht war vornehm, seine Augen ehrlich, sein Blick klar. All dies passte nicht zu seiner schrecklichen Mordtat. Ich war missstrauisch, verschlossen, abwartend. Während des ersten Interviews brachte ich meine ganze Energie auf, um meine negative Gefühle zu verbergen. Ich war - wie die meisten Griechen voreingenommen - was die Albaner anbetrifft. Der rasche Anstieg der albanischen Kriminalität in Griechenland, die Mafia, Prostitution, Drogen, etc. Am Ende des Interviews hatte er meine Neugierde geweckt.

In den vielen, noch folgenden Interviews wurden ein Teil meiner Angst, meiner Vorurteile und meiner Hemmungen abgebaut. Nach sechs Monaten habe ich Albanien zum ersten Mal besucht, den Ort an dem Eduard aufgewachsen war. Mir gelang es, mit seiner Schwester zu sprechen, wie auch mit anderen Menschen, die Eduard kannten. Ich tastete mich Stück für Stück in seinem Leben hinein und begann Albanien kennenzulernen.
Nach einem Jahr der Recherche, die ich im Gefängnis und in Eduards Umfeld gemacht habe, hatte sich meine Meinung geändert. Ich sah vor mir kein Monster, sondern einen jungen Menschen, der sich über die Schwere und die Schuld seiner Tat bewusst war und tiefe Reue dabei empfand.

Während ich das Drehbuch schrieb, habe ich versucht, eine objektive Haltung für Eduards Filmfigur zu bewahren. Es lag mir fern einen Helden aus ihm zu machen. Bei unserem letzten Zusammentreffen sagte er mir, ich könne über ihn schreiben, was ich wolle. ‘Ich war ein böser Mensch.’ Er hat nie nach Geld gefragt obwohl er die Möglichkeit gehabt hätte aus seiner Geschichte Kapital zu schlagen.

Mich haben diese Recherchen, die Interviews und alle unsere Gespräche zu einer Einsicht geführt. Menschen können sich ändern und das bezieht sich nicht nur auf Eduard, sondern hat es auch auf mich gewirkt. Ich musste Vorurteile abbauen, um diesem Menschen näher zu kommen. Es war nicht leicht ihn zu verstehen. Ich habe keine Angst mehr vor ihm oder Mitleid mit ihm, sondern ich fühle Achtung vor seiner persönlichen Wandlung. Um es mit einem griechischen Begriff auszudrücken: Ich habe Respekt vor seiner KATHARSIS."
EDUARD (AT)

*Inspiriert von einer wahren Geschichte*

von ANGELIKI ANTONIOU

Griechenland/Deutschland 2006,
105 Minuten
Flucht
 
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